Samoa hüpft mal eben über die Zeitzone, um dadurch mit Geschäftspartnern im asiatischen Raum einfacher kommunizieren zu können. Da fällt mir doch sofort meine Kurzgeschichte ein, die ich dem verehrten Leser als Geschenk zum Jahreswechsel nicht vorenthalten möchte:
Die Geschichte vom Minister für die Begradigun g der Zeitzonenl inie
Es war einmal ein ziemlich kleines Land, in dem fast immer die Sonne schien und die Menschen zufrieden und glücklich waren. Sie waren weder reich noch arm, und niemand musste Hunger leiden. Regiert wurde das kleine Land vom Präsidenten, der mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter Regina in einem schönen Haus auf einem Berg wohnte.
Doch das kleine Land war etwas ganz besonderes, denn es lag ganz genau auf einem der Längengrade, der eine Zeitzone bedeutete.
Vor vielen Jahren hatte der Großvater des Präsidenten entschieden, dass die Zeitzone einen kleinen Schlenker um das Land machte, sodass im ganzen Land die gleiche Uhrzeit herrschte.
Anstatt einer geraden Linie machte die Grenze der Zeitzone also einen Bogen.
Der Präsident des kleinen Landes stand eines Tages, es war ein Donnerstag, auf seinem Balkon und blickte auf sein Land hinab.
Ihm war ein bisschen langweilig, er kratzte seinen dicken Bauch und er überlegte, ob er ein neues Gesetz erfinden könnte.
Zum Beispiel eines, das es verbot, an Wochentagen, die mit D begannen, zu stricken.
Aber er wusste, dass das seiner Frau nicht gefallen würde.
Oder ein Gesetz, das sagt, dass es jeden Donnerstag ein Feuerwerk geben musste.
Aber auch das würde seiner Frau nicht gefallen.
Also musste er sich etwas anderes einfallen lassen.
Und plötzlich hatte er eine Idee....
Schnell sauste er in sein Präsidenten-Schlafzimmer, zog sich seinen schönsten Pullover an und ging eilig zu seiner Frau.
Seine Frau saß am Fenster und strickte.. Seit über einem Monat schon strickte sie an einem grünen Schal. Er war mittlerweile schon bestimmt drei Meter lang. Oder sogar noch länger, sie hatte nicht nachgemessen. Sie hatte keine Ahnung, wem sie den Schal schenken könnte, und so strickte sie einfach immer weiter. Neben ihr saß Regina auf dem Fußboden und malte ein Bild. Es zeigte einen sehr dicken Mann, eine Frau mit langen Haaren und ein Kind, und alle zogen an einem langen grünen Strick, oder vielleicht war es auch ein Schal.
Als der Präsident etwas außer Atem ins Zimmer gerannt kam, blickte sie von ihrem Strickzeug auf und Regina legte die Wachsmalstifte zur Seite.
„Oh, hast du einen neuen Orden? Der ist aber besonders hübsch“ sagte sie.
„Nein, den Orden habe nicht ich, sondern der Minister für die Begradigung der Zeitzonenlinie“ sagte er und versuchte, äußerst pflichtbewusst auszusehen.
„Und wer ist dieser Minister?“ fragte seine Frau und seufzte ein ganz klein wenig.
„Dieser Minister bin natürlich ich“ sagte der Präsident und stellte sich ganz gerade hin.
„Und wer hat ihm diesen Orden verliehen?“ fragte Regina und lutschte an einem rosafarbenen Stift.
„Natürlich der Präsident“ sagte der Präsident.
„Oh“ sagte seine Frau und strickte weiter.
„Willst du denn gar nicht wissen, was der Minister für die Begradigung der Zeitzonenlinie macht?“
Doch, sagte sie, das will ich schon wissen.
„Ich werde die Zeitzonenlinie nicht mehr um unser Land herumführen lassen, sondern sie ganz gerade genau durch das Land hindurch laufen lassen“ sagte er stolz.
„Und was sagt der Präsident dazu?“ fragte seine Frau.
„Na der hat mich doch dazu ernannt“ sagte er empört.
„Und wie stellen sich der Herr Präsident und der Herr Minister diese Begradigung vor?“
Der Präsident und Minister für die Begradigung der Zeitzonenlinie holte tief Luft.
„Ganz einfach: Die Zeitzonenlinie wird ganz genau exakt durch unser Land führen, wie mit dem Lineal gezogen. Und damit jeder die Linie sieht, werden wir sie überall markieren. Vielleicht mit hübschen roten Pflastersteinen...
Oder mit grünen...
Oder mit Blumenkübeln.“
(Er wusste, seine Frau mochte Blumen sehr gern...)
Der Präsident warf einen Blick auf das Bild, das seine Tochter malte, und schnaubte einmal kurz auf.
„SO dick bin ich aber nun wirklich nicht, Regina“ rief er ein bisschen grummelig.
„Doch, Papa, das bist du“ sagte Regina und malte weiter.
Der Präsident schnappte ein bisschen nach Luft und blickte seine Frau an.
„Dann wirst du sicherlich eine ganze Weile ziemlich beschäftigt sein, oder?“
„OH ja, das werde ich“ sagte der Minister stolz.
"Dann wünsche ich dir mal alles Gute" sagte seine Frau und atmete ganz tief ein.
Gesagt, getan, der Minister schnappte sich eine Landkarte und markierte ganz genau, wo die Zeitzonenlinie verlief, dann rief er seinen obersten Gärtner und seinen obersten Straßenbauer, zeigte ihnen die Karte und sagte ihnen, was er vorhatte.
"Herr Präsident, das sollen wir wirklich machen?" fragte der oberste Gärtner.
„Aber ja“ sagte der Präsident und nickte stolz.
„Ganz genau so, wie hier auf dieser Karte eingezeichnet?“ fragte der oberste Straßenbauer und kratzt sich am Kopf.
Der Präsident holte tief Luft.
"Ich bin der Minister für die Begradigung der Zeitzonenlinie, ernannt vom Präsidenten persönlich, und wir sagen: So wird das gemacht."
Also machten sich die beiden tatsächlich an die Arbeit, und nach einigen Tagen hatten sie eine ganz exakt genau gerade Linie gezogen, durch das ganze Land. Die Linie verlief durch Wiesen und Wälder, durch einen kleinen See, dort war er mit Bojen markiert, durch eine kleine Stadt und sogar durch ein Schule. Viele Menschen wunderten sich über die Linie aus roten Steinen, aber viele freuten sich auch über die vielen neuen Blumenkübel. Auch wenn einige von ihnen ziemlich im Weg standen.
Der Präsident sagte den Reportern vom Fernsehen, dass er eine wichtige Rede zu halten habe, die alle Menschen hören sollten. Also kamen die Reporter, mit Kamera und Mikrofon, und der Präsident zog sich seinen schönsten Pullover an und erklärte den Menschen, was die Linie bedeutete.
Am Ende seiner Rede blickte er auf seine Uhr, blickte bedeutsam in die Kamera und sagte mit wichtiger Stimme:
„Und hiermit verkünde ich, das ab sofort auf der linken Seite der Linie (er schaute genau auf seine Uhr) viertel vor sieben und auf der rechten Seite der Linie viertel vor acht Uhr ist.“
„Und hiermit verkünde ich, das ab sofort auf der linken Seite der Linie (er schaute genau auf seine Uhr) viertel vor sieben und auf der rechten Seite der Linie viertel vor acht Uhr ist.“
Im ganzen Land herrschte natürlich große Aufregung. Kinder wurden sofort vom Spielen herein gerufen, da es auf einmal schon eine Stunde später war, Frauen beeilten sich, das Essen doch noch pünktlich auf den Tisch zu bekommen und Busse waren auf einmal eine Stunde zu spät.
Und die Aufregung ging am nächsten Tag natürlich weiter. In der Schule, durch die die Zeitzonenlinie ging, begann der Unterricht in der einen Hälfte der Schule nun eine Stunde später als in der anderen. In der Stadt mussten Menschen, die beim Bäcker ihre Brötchen kaufen wollten, plötzlich eine Stunde vor dem verschlossenen laden warten, da es dort noch eine Stunde früher war. Überquerte der Bus die Linie, war er entweder eine Stunde zu spät oder eine Stunde zu früh. War er zu spät, dann schimpften die Menschen. und war er zu früh, dann blieb er einfach eine Stunde stehen, damit er wieder pünktlich war, und die Menschen schimpften schon wieder.
Der arme Busfahrer!
Doch der Präsident war stolz. So was wie in seinem Land gab es in keinem anderen kleinen Land der Welt. Am Mittag des ersten Tages der neuen Zeitrechnung ging er in sein Esszimmer und blickte auf den leeren Esstisch. Er kuckte noch mal ganz genau hin und dann auf seine Uhr und dann wieder auf den leeren Esstisch. Er kratzte sich am Kopf und suchte seine Frau. Die saß am Fenster und strickte, der grüne Schal war mittlerweile schon bestimmt fünf Meter lang.
Oder noch länger.
Ähm, sagte er, gibt´s denn heute nichts zum Mittagessen?
Seine Frau blickte kurz von ihren Stricknadeln auf.
„Jetzt schon?“
Der Präsident blickte auf seine Uhr und sagte: „Wieso jetzt schon? Es ist zwölf Uhr.“
Seine Frau strickte weiter. "Und bei mir ist es erst elf, du musst noch eine Stunde warten.“
Und da fielen dem Präsidenten die vielen Blumenkübel auf, die wie auf einer Perlenkette aufgereiht im ganzen Präsidentenhaus standen.
"Ähm, verläuft die Zeitzone etwa direkt durch unser Haus" fragte der Präsident entgeistert.
"Ja, das hat dein Minister wohl so beschlossen" sagte die Frau.
"Also bei dir ist es elf Uhr und bei mir zwölf?“
„Exakt“ sagte sie, ohne von ihren Stricknadeln aufzublicken.
„Hast du denn vielleicht , ähm, eventuell Lust, jetzt hier auf meine Seite zu kommen?
Dann ist es für dich auch zwölf Uhr und wir können essen.“
„Komm du doch auf meine Seite, hier ist es erst elf, und wir könnten noch ein Stündchen plaudern.“
„Aber ich habe doch JETZT Hunger“ sagte der Präsident und seufzte tief.
Regina kam ins Zimmer gerannt, sie hatte schon ihre Reitstiefel an und trug ihre Reitkappe.
„Reiten!“ reif sie, „jetzt!“.
„Nein, Schatz“ sagte die Frau des Präsidenten, „der Reitstall ist auf der anderen Seite der Zeitzone, dort ist es noch nicht so spät wie hier, wir müssen noch ein bisschen warten mit deiner Reitstunde“.
„Reiten JETZT“ rief Regina, diesmal ein bisschen lauter.
„Dann sag das mal deinem Herrn Papa“ sagte die Frau ungerührt.
Da klingelte das Telefon.
Es war der Direktor der Schule, und der klang ganz aufgeregt.
"Herr Präsident, so geht das nicht weiter, in der einen Hälfte der Schule fängt der Unterricht nun eine Stunde eher an als in der anderen, und wenn die Schüler aus der einen Hälfte auf den Sportplatz gehen, müssen sie nun alle ihre Uhren um eine Stunde vorstellen, und wenn die Schüler aus der anderen Hälfte in den Kunstraum gehen, ist es eine Stunde früher. Alle sind verwirrt und durcheinander. Kann die Linie nicht einen ganz klitzekleinen Schlenker um unsere Schule machen?
"Ich werde das mit meinem Minister für die Begradigung der Zeitzonenlinie besprechen" sagte der Präsident und legte schnell auf.
Sofort klingelte das Telefon wieder. Es war der oberste Förster des Landes, der auch für den Fischfang und die Angler zuständig ist.
„Herr Präsident“, sagte er etwas atemlos, „in unserem Land herrscht das Fischfang-Gesetz von 1887, und das besagt, dass man erst ab sieben Uhr morgens angeln darf. In unserem Fischteich ist aber auf der einen Seite des Sees erst halb sieben Uhr und auf der anderen Seite schon halb acht. Die Angler fangen auf der Seite an zu angeln, auf der es später ist, und wechseln dann einfach auf die andere Seite hinüber. Dürfen die das?“
Man konnte hören, er war ziemlich empört.
Der Präsident grummelte.
„Ich werde das mit den zuständigen Gremien besprechen“ sagte er, bevor er auflegte.
Und ganz tief seufzte.
Dann ging er zu seiner Frau.
„Hast Du auch Deine Uhr umgestellt?“ fragte sie, ohne von ihrem mittlerweile mindestens vier Meter langen grünen Schal aufzublicken, an dem sie mit, nun ja, sagen wir wie es ist, verbissenem Nachdruck strickte.
„Ähm , neee, wieso?“
„Naja, du bist der Präsident, und deine Uhr muss doch immer richtig gehen. Es kann doch nicht angehen, dass die Uhr des Präsidenten eine Stunde nachgeht, oder?“
Der Präsident brummte.
„Ich muss mal nachdenken“ sagte er.
„Und ich muss wohl mal in die Stadt gehen“ sagte er und brummte weiter.
Seine Frau holte ganz langsam ganz tief Luft, aber so dass er es nicht bemerkte.
Der Präsident ging in die Stadt, und er ging ausnahmsweise einmal nicht zuerst zum Friseur und danach ins Wirtshaus, sondern direkt zum einzigen Uhrenhändler, der am Marktplatz seinen Laden hatte.
„Oh, guten Tag, Herr Präsident, was verschafft mir die Ehre?“ sagte der Uhrenhändler, als der Präsident die Ladentür öffnete.
„Hmm, naja, wollt mal sehen, wie es so geht“ brummte der Präsident.
„Wie es so geht, wie es so geht“ lachte der Uhrenhändler, denn er dachte, das wäre ein kleiner Witz des Präsidenten gewesen.
„Nun, alle Uhren gehen, gehen WIEDER richtig, denn ich musste sie ja alle umstellen.“
„Umstellen? Wieso?“ grummelte der Präsident.
„Naja, nachdem die neue Zeitlinie gezogen war, war es hier auf einmal eine Stunde früher, also musste ich alle Uhren vorstellen. Wie sähe das den aus, wenn beim Uhrenhändler alle Uhren falsch gingen...“
Sein Lehrling, ein blasser dünner Junge mit Segelohren, kam aus der hinteren Werkstatt und blickte den Präsidenten klagend an.
„ALLE Uhren umstellen, ja ja“ seufzte der Lehrling.
Der Präsident blickte sich um. Überall an den Wänden, in Vitrinen und Schaukästen tickten Uhren, es gab Kuckucksuhren, Armbanduhren und Taschenuhren.
„ALLE“ wiederholte der Lehrling.
„Ist ja gut“, sagte der Uhrenhändler, „nun ist es ja geschafft. Und was dürfen wir heute dem Herrn Präsidenten anbieten?“
Der Präsident brummte kurz.
„Ich brauche eine Armbanduhr.“
„Ach, tut es die alte Uhr nicht mehr so gut? Oder sollen wir sie reparieren?“
„Nein nein, ich brauche eine zweite Uhr. Eine Armbanduhr, die mir die Uhrzeit anzeigt, wie sie im anderen Teil des Landes ist. Denn die Armbanduhr des Präsidenten muss natürlich immer exakt die korrekte Uhrzeit anzeigen, oder?“
„Nein nein, ich brauche eine zweite Uhr. Eine Armbanduhr, die mir die Uhrzeit anzeigt, wie sie im anderen Teil des Landes ist. Denn die Armbanduhr des Präsidenten muss natürlich immer exakt die korrekte Uhrzeit anzeigen, oder?“
„Da haben Sie wohl recht, Herr Präsident“ sagte der Uhrenhändler.
Der Präsident suchte sich eine Armbanduhr aus, nicht zu teuer, damit seine Frau nicht schimpfte, und zog sie gleich an.
„Linke Hand: Linke Seite des Landes, rechte Hand: Rechte Seite des Landes. Ist doch ganz einfach, oder?“ sagte der Präsident und bemühte sich, einen sehr zuversichtlichen Eindruck zu machen.
„Wie es dem Herrn Präsident beliebt“ sagte der Uhrenhändler.
Der Lehrling musste auf einmal sehr doll husten und ging lieber wieder zurück in die Werkstatt.
Der Präsident machte sich auf den Rückweg nach Hause. Auf dem Weg begegneten ihm zwei Frauen, die so sehr in ihr Gespräch vertieft waren, dass sie ihn gar nicht bemerkten.
„Weißt du“, sagte die eine der Frauen, „mein Mann arbeitet ja in der linken Hälfte, und wir wohnen in der rechten Hälfte. Das wäre ja noch machbar, aber unser Sohn wohnt ja nun schon seit einem Jahr im Nachbardorf, dort ist ebenfalls die rechte Hälfte. Ich mach also morgens ganz normal das Frühstück für meinen Mann, der fährt dann in den Betrieb und muss dann, sofern denn der Bus pünktlich fährt, erst mal eine Stunde warten, bis der Betrieb aufmacht. Mein Sohn kommt in der Mittagspause immer nach Hause zu mir und will dann was essen. Das ist dann bei mir aber schon am Nachmittag. Und dann kommt schon wieder mein Mann nach Hause und will sein Abendbrot. Ich steh den ganzen Tag nur noch in der Küche und mach Essen warm.“
Sie seufzte tief.
Die andere Frau nickte verständnisvoll.
„Jaja, aber bei mir ist es noch schlimmer: Das eine Kind geht zur Grundschule, das andere Kind ist in der Lehre beim Uhrenhändler. Zwei Kinder, zwei Hälften des Landes. Das heisst: Jeden morgen zwei mal Frühstück machen, dann zwei mal Mittagessen und dann zwei mal Abendbrot. Und dann hatte ich einen Friseurtermin, und mir wurde gesagt, ich sei eine Stunde zu spät und nun wäre nichts mehr frei....“
Der Präsident ging schnell weiter nach Hause.
Dort war zum Glück alles wie gewohnt. Seine Frau saß am Fenster, und zu ihren Füßen kringelte sich ein sehr sehr langer grüner Schal, und Regina stand in der Mitte des Zimmers und hüpfte von einem Fuß auf den anderen.
„Schau mal, der Papa ist da, nun kannst du auch mal mit ihm dein neues Spiel spielen“ sagte die Frau des Präsidenten, und man konnte, wenn man genau hinhörte, ein ganz klein bisschen hören, dass sie ein ganz klein bisschen genervt war.
„Oh, ein neues Spiel?“ fragte der Präsident und bemühte sich, einen irgendwie freudigen Eindruck zu machen.
„Ja“, rief Regina, „das Uhrzeit-Spiel“.
„Und wie geht das?“
Regina stellte sich direkt neben die Blumentöpfe, die immer noch eine Linie durch das Wohnzimmer bildeten.
Dann blickte sie ihren Vater herausfordernd an.
„Wie spät ist es?“ fragte sie.
Dem Präsidenten wurde ein klein wenig heiß, er versuchte, sich schnell die Karte seines Landes vorzustellen, blickte dann auf seine linke Armbanduhr und versuchte, sehr überzeugend zu klingen.
„Es ist jetzt ganz genau viertel vor drei, das sage ich dir als dein Vater und als Präsident dieses Landes“.
Regina kuckte ihren Vater kurz zweifelnd an, nickte aber dann.
Dann hüpfte sie über den Blumentopf, der neben ihr auf dem Fußboden stand, und blickte wieder auf ihren Vater.
„Und wie spät ist es jetzt?“
„Immer noch viertel vor drei“ sagte der Präsident.
„Falsch, falsch, falsch“ rief Regina und sprang auf und ab.
„Du musst immer sagen, wie spät es bei IHR gerade ist“ sagte die Frau des Präsidenten.
„Gut“, sagte der Präsident, „bei dir ist es gerade ganz genau vierzehn Minuten vor VIER“.
Er brummte und seufzte zugleich.
Regina blickte ihren Vater an, nickte ernsthaft, und sprang wieder über den Blumentopf zurück.
„Und jetzt?“
„Jetzt ist es vierzehn Minuten vor DREI“ sagte der Präsident.
Regina bestätigte dies mit einem erneuten Nicken, und sprang wieder über den Blumentopf.
„Und jetzt?“
Der Präsident murrte ein bisschen.
„Das ist dein neues Lieblings-Spiel, oder?“ fragte er.
Seine Frau lachte kurz auf.
„Ja, und sie spielt das sehr sehr ausdauernd, nicht wahr, Regina?“
Der Präsident brummte.
Und brummte.
Seine Frau wusste: Wenn er anfing zu brummen dachte er nach. Sehr doll nach.
Er brummte und brummte und hörte gar nicht mehr auf zu brummen.
Seine Frau ließ ihr Strickzeug sinken und blickte ihn an.
„Meinst Du, Du könntest mal mit deinem Minister für die Begradigung der Zeitzonenlinie reden? Ich meine, der arme Mann hat so viel Ärger und Arbeit gehabt, der braucht doch bestimmt mal einen kleinen Urlaub. Und wenn er gerade mal nicht da ist, könnte doch vielleicht der kluge Herr Präsident dafür sorgen, dass hier in seinem Land wieder Ordnung herrscht. Oder?“
Der Präsident brummte noch einmal kurz und meinte dann, dass das wohl keine sehr schlechte Idee sei.
Gesagt, getan: Der Herr Minister wurde in den Vorruhestand versetzt, bekam noch einen Orden und ward nimmer mehr gesehen. Einen Tag später hielt der Präsident eine Rede im Fernsehen, in der er die Regelung der exakten Zeitzone ein für alle Mal zurück nahm und sich stolz und ehrfürchtig auf die Tradition seines Großvaters besann, die besagt, dass die Zeitzonenlinie einen Schlenker um das kleine Land macht.
Und alle Bewohner des Landes waren so begeistert von der Nachricht, dass sich kaum einer darüber wunderte, dass der Präsident einen sehr sehr langen grünen Schal bei seiner Ansprache trug.
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