Mein Maskottchen ist der Gefahrgutbeauftrage von LEGO. Er sitzt auf meinem Schreibtisch und wacht darüber, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Den Beginn unserer wunderbaren Freundschaft sehen Sie hier (und über die Schwierigkeiten, zueinander zu finden erfahren Sie hier mehr)

Mittwoch, 20. März 2013

uiuiui, ich bin jetzt mal "ungewöhnlich provokant":

Seit heute ist die neue Kampagne des Vereins "Gesicht zeigen!" auf dem Markt und buhlt um Aufmerksamkeit, passend zu den morgen beginnenden internationalen Wochen gegen Rassismus. Auf Postkarten, Plakaten und Infoscreens "outen" sich Promis, nur um sofort hinterher zu schieben, dass SIE selbstverständlich NICHT zu der jeweiligen Minderheit Randgruppe Bevölkerungsgruppe gehören. Aber sie WÜRDEN sich angegriffen fühlen, wenn jemand was gegen ihre Paten-Minderheit hätte.
Aha, und das sieht dann so aus:
Vergleichbare Motive gibt es etwa mit Ulrich Wickert ("Ich bin Jude") oder Sebastian Krumbiegel (Die Prinzen, "Ich bin Türke").
Die Botschaft ist klar: Solltest du etwas gegen meine Paten-Minderheit haben, dann hast du auch etwas gegen mich, denn die Freiheit der Menschen ist universell.
Was den Gefahrgutbeauftragten allerdings aufregt: Die Statements werden auf der Webseite als "ungewöhnlich provokant" bezeichnet. Laut Branchendienst Horizont sind es (Zitat) "irritierende Botschaften" und "provozierende Statements".
Und nun stellt sich die Frage: Ist die Aussage "Ich bin schwul" im Jahr 2013 noch eine "ungewöhnliche Provokation"?

Die Machart der Kampagne aus der Hand der Berliner Agentur We Do erinnert zudem stark an die Vergiss-AIDS-nicht-Kampagne des gleichnamigen Vereins aus dem Jahr 2008:
Screenshot "Vergiss-AIDS-nicht"








Und selbstverständlich erinnert der Claim auch an einen historischen Ausspruch eines ehemaligen US-Präsidenten vor einem Rathaus in Berlin (damals West), nämlich JFKs Bekenntnis "Ich bin ein Berliner" vor dem Rathaus Schöneberg im Juni 1963, der damals übrigens exakt die gleiche Intention hatte. Nämlich auszudrücken, dass ALLE freien Menschen auch Berliner seien, und er sei stolz darauf, sich dazu zählen zu können. Jede Beeinträchtigung der Freiheit der Berliner sei ergo auch eine Beeinträchtigung von ihm selber.

Aber die alles entscheidende Frage ist: Wer um Himmels Willen soll die Zielgruppe dieser Kampagne sein, und wird sich eben jene von den Plakatmotiven zum Nachdenken anregen lassen?  Oder ganz simpel: Wird ein Schwulenhasser seine Einstellung überdenken, weil er nun davon ausgehen muss, auch den TV-Moderator Thadeusz zu hassen? Wird ein Rassist zum Türken-Freund, nur damit ihn Gesine Cukrowski noch lieb hat? Ein Antisemit bekehrt, weil er den ehemaligen Tagesthemen-Moderator so sehr schätzt? Oder ist die Kampagne vielmehr "Mittel zum Zweck", eine Wohlfühl-Aktion von Gutmenschen für Gutmenschen, mit der man wohliges Schaudern ("Ui, ist der/die aber mutig!") und breite Zustimmung in den Feuilletons erzeugt, ohne dabei anzuecken?

Die Kampagne erregt mittlerweile auch Aufmerksamkeit in den unterschiedlichsten Blogs und Foren im Netz, beispielsweise hier:


Der kleine tapfere Gefahrgutbeauftragte ließ es sich allerdings nicht nehmen und wollte ebenfalls ein Plakat, nun gut, hier isses:

Liebes RTL, ....

... wie charmant, euren DSDS-Kandidaten schon mal gleich zu zeigen, wo der mediale Hammer hängt. Oder wie erklärt ihr den Kandidaten, dass schon VOR der ersten Motto-Show (und damit NEUN Wochen, bevor der neue "Superstar" feststeht) bereits mit der Suche nach seinem NACHFOLGER begonnen wurde?

Screenshot rtl

Sonntag, 17. März 2013

Nachhilfe? Na aber gerne:

Der Gefahrgutbeauftragte ist allgemein gefürchtet als schrecklicher Besserwisser. Aber wenn sowohl ein Bezirksbürgermeister aus Berlin als auch eine komplette Fernsehredaktion ganz offensichtlich ein bisschen Nachhilfe benötigen, dann erteilt er sie gerne und ungefragt.

Was ist passiert?
In der gestrigen Abendschau ging es um einen Problemkiez in Berlin, Heerstraße Nord, , der zunehmend von Gewalt, Drogenhandel und Verwahrlosung dominiert wird. Der zuständige Bezirksbürgermeister von Spandau, Helmut Kleebank (SPD) kommentiert das im rbb wie folgt:
"Heerstraße Nord ist ja schon eine Zeit eine belastetes Quartier, und wir stellen nun fest, dass die sogenannte Gentrifizierung, also die Zuwanderung von Familien mit vermehrt sozialen Problemen, dort tatsächlich noch mal zu einer Verschlechterung geführt hat (...)."

Das Peinliche: Nicht nur der Bürgermeister, sondern eine komplette Fernsehredaktion (die sich zudem mit der Thematik seit vielen Jahren permanent befasst) bemerkte den Fehler nicht. "Gentrifizierung" bedeutet eben NICHT "die Zuwanderung von Familien mit vermehrt sozialen Problemen", sondern das Gegenteil, die ABWANDERUNG von Familien mit (unfreiwilligen) sozialen Problemen, verursacht durch steigende Mieten oder Umwandlung in Eigentumswohnungen.

Besonders und gerade in einer Stadt wie Berlin, in der die Gentrifizierung in immer mehr Stadtteilen um sich greift und komplette gewachsene Wohnstrukturen innerhalb kürzester Zeit pulverisiert darf, nein: MUSS man von Verantwortlichen und Medienmachern in diesem Zusammenhang ein Minimum an Sorgfalt bei der Wortwahl erwarten.

Hier nochmal der Link zum Ausschnitt: http://www.youtube.com/watch?v=qZWMg0vAeiM
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