...
oder wie ich die Betty Wulff der Bärenorgie wurde....
Bloggern
wird oft Eines vorgeworfen: Sie seien so schrecklich
selbstreferenziell.
Egomanische
Überzeugungs-Laptop-Täter, ich-bezogen, mit gar grausigem
Mitteilungsdrang und Geltungsbedürfnis
Ähm,
ich widerspreche jetzt mal lieber nicht.
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Screenshot "V wie Vendetta": ich als Beinah-Leiche |
Und
will lieber eine kleine Geschichte erzählen, am besten
chronologisch.
Vor
einigen Jahren hatte ich die Idee, eine Artikelserie über
Kleinanzeigen in Szeneblättern und deren Hintergründe zu machen,
gewissermaßen als der "Wallraff der Kleinanzeigen". Da
Aufwand und Erlös in keinerlei Verhältnis standen verschwand die
Idee alsbald in der medialen Schrott-Schublade. Einen Text hab ich
dann doch fabriziert, und mangels monetärer Verwertbarkeit auf
einestages,
dem User-Content-Portal des Online-Spiegel
veröffentlicht. Dort war er auch recht erfolgreich (Zitat aus einer
Mail des damaligen Ressort-Leiters an mich):
"Es
passiert nicht so oft, dass ein Lesertext es bis auf die oberen
Aufmacherplätze bei SPIEGEL ONLINE schafft und sich dann auch noch
so lange dort hält. Sie können das absolut als Kompliment für
Ihren Text betrachten!"
Nun
ja, allerdings war ich mit den Mitteln, mit denen dieser „Erfolg“
erzielt wurde, nicht ganz einverstanden: Neben diversen, teils
sinnentstellenden Kürzungen wurde dem Text auch ein unschöner
dramatischer Beigeschmack gegeben. Zitat aus einer Mail von mir
an die
zuständige Redakteurin:
"Ich
fand meine Erfahrungen lustig und unterhaltsam, nicht mehr, nicht
weniger. (...) Was mich ärgert: Der Tenor meines Textes ist meiner
Meinung nach eher "humoristisch", und was immer wieder
betont wird ist der Zusammenhalt der Protagonisten, und der damit
verbundene Galgenhumor
Es war alles andere als ein
Alptraum. (...) Zwei Filmkollegen riefen mich an, und fragte ehrlich
verwundert, ob die Dreharbeiten für mich im Nachhinein wirklich
solch ein Alptraum gewesen sind. Mein Lebensgefährte lacht übrigens
immer noch über Ihre nette Formulierung "Er war dünn und sah
irgendwie ausgehungert aus". Und ich wollte gewiss keine
"Gruselgeschichte" schreiben."
Was
war geschehen? Mein eingesandter Vorschlag für eine kurze
zusammenfassende Inhaltsangabe lautete:
"Amüsante
Einblicke in das harte Komparsenleben beim Dreh eines
Hollywood-Blockbusters
in der brandenburgischen Pampa"
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Screenshot einestages |
Was
machte einestages vom SPIEGEL daraus?
"Eigentlich
wollte er sich nur als Filmleiche ein paar Euro dazuverdienen - dann
fand sich Tobias Mandelartz in einem Alptraum wieder: Der Dreh für
den angekündigten Science-Fiction-Streifen entpuppte sich als
KZ-Szene, sadistische Aufseher und Massengrab inklusive"
(Übrigens,
das Wort "KZ-Szene" stammte selbstverständlich NICHT von mir und wurde auch
flugs nach zwei Tagen in "grausige Massengrab-Szene" geändert, laut damaligem Ressortleiter müsse man mit solchen Begriffen "pingelig"
sein, was MIR sehr recht war. Ergänzt wurde die Einleitung nun
durch den schönen - oben schon empört erwähnten
- Satz "Die Gruselgeschichte eines Komparsen")
Was
ich lernen musste. "Amüsante Einblicke" geht gar nicht.
Zitat wiederum aus einer Mail des Ressortleiters:
"...denn
ein Text, der mit "Amüsante Einblicke" überschrieben
ist, wird einfach nicht wahrgenommen - ob es uns gefällt oder
nicht".
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Screenshot ""V wie Vendetta", im Kreis liege ich |
Tja,
dann lieber aus den Einblicken einen Alptraum fabrizieren.
Von launigen und weniger
launigen Laudatoren
Anekdote
am Rande: Dieser Text auf einestages war kurze Zeit später
nominiert für den "Deutschen Reporterpreis 2009" in der
Kategorie "Beste
Webreportage".
Laudator bei der feierlichen Preisverleihung war ausgerechnet der
Medienblogger Niggemeier, der Jahre später - nicht ganz freiwillig
- eine wichtige Rolle in meinem Leben übernehmen sollte, dazu
später. Bei der "Laudatio" (laut
Duden "im
Rahmen eines Festakts gehaltene feierliche Rede, in der jemandes
Leistungen und Verdienste gewürdigt werden") hatte er nichts
Besseres zu tun als süffisant über die Qualität der eingereichten
Beiträge zu nölen, zu meckern, zu klagen. In
seinem Blog versuchte
er sich einen Tag später etwas fadenscheinig zu rechtfertigen
(Zitat Niggemeier):
"Ich
habe nicht über das Niveau der nominierten Beiträge lamentiert.
Ich habe über das Niveau der eingereichten Beiträge lamentiert".
Nun
denn, jeder nominierte Beitrag ist per se auch einer der
eingereichten Beiträge. Die anwesenden Nominierten fanden es
jedenfalls eher weniger lustig, und ich war nicht traurig, nach
dieser Laudatio nicht gewonnen zu haben, Erleichterung überwog.
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Online-Preis |
Um
beim Thema "Selbstreferenz" zu bleiben: Es geht weiter im
Text, und über eben den Herrn Niggemeier schlage ich auch fix wie
nix wieder einen Bogen zu einestages von SPIEGEL ONLINE.
Niggemeier
sei Dank, ehrlich, ohne Häme, denn er war verantwortlich für mein nächstes
erfolgreiches Projekt, das
Blog zum Bärenvideo.
(Ganz kurz für die Unwissenden: Um meine Theorie zu verifizieren,
dass man nur einen einzigen anerkannten "Multiplikator"
benötigt, um einem Content eine virale Verbreitung zu verschaffen,
bat ich Niggemeier, ein komplett erfolgloses, aber sehr niedliches
Video einer Bärenfamilie auf seinem Blog als "Flausch am
Sonntag" zu präsentieren und habe die nachfolgende weltweite
Verbreitung sowie die damit einhergehende "Umdeutung" in
einem täglichen Blog dokumentiert. Aus der entzückenden
Bärenfamilie wurde - von mir nicht kontrollierbar - eine
Bären-Orgie und ein Bären-Gangbang. Dieses Blog gewann dann im
vergangenen Jahr den 2. Preis des ergo
direkt Medienpreises in
der Kategorie "Online", der STERN-Nachrichtenchef
Benninghoff hielt eine wundervoll launige Laudatio, und der Gewinn
verschaffte mir meinen ersten - und wohl einzigen - Besuch beim
Bundespresseball.)
Eine
Zusammenfassung der
Bärenvideo-Geschichte,
die mich nach wie vor in Erstaunen und Verwunderung stürzt, hatte
ich - Sie raten es wohl schon - kürzlich einestages von SPIEGEL
ONLINE angeboten.
Sie werden fragen: Nix dazugelernt?
Ich
sage: Jeder verdient eine zweite Chance.
einestages
greift gerne zu, will "zeitnah veröffentlichen"
(Zitat), fragt zudem nach Bildern und ich schicke der Redaktion
einige private Bilder, einen Screenshot sowie den Link zum Blog mit
der Erlaubnis, man könne sich ja bei Bedarf Bilder herunter laden und
verwerten. Die "Verwertung" (besser: Verwurstung) endet in
einer 22teiligen Klickstrecke, bestehend aus Bildern und
Texten, die meinem Blog entnommen wurden.
Wobei ging es nochmal im
Bären-Blog?
Ach
ja, er handelt von der Gefahr, dass man über Inhalte, die man ins
Netz stellt, keinerlei Kontrolle mehr hat. Siehe mein Text über die
Dreharbeiten, dem ein unschöner und unerwünschter dramatischer
Touch gegeben wurde. Und nun also der Text zum Bärenblog. Schon die
- von der Redaktion gewählte - Überschrift ist vollkommen
irreführend und verdreht den Inhalt:
Das
Experiment mit der Bärenorgie
Der
Text erscheint auf der einestages-Seite von SPIEGEL ONLINE am Morgen
des 15. Septembers, einem Samstag. Also zu einem Zeitpunkt, an dem
SpON-einestages-Redakteure an alles, aber nicht an ihre Arbeit
denken. Ich protestiere sofort, Zitat aus einer Mail von mir an die
zuständige Redakteurin vom Samstag, 15. September 2012, 7:38 (eine
Antwort erhalte ich DREI Tage später):
Leider
leider ist die Überschrift komplett sinnentstellend, denn es ging
eben NICHT um ein "Experiment mit der
Bärenorgie",
sondern ein Experiment mit einem vollkommen harmlosen und niedlichen
Bärenvideo, dessen Kontext sich im Zuge der viralen Verbreitung
verselbständigte und - von mir weder geplant noch gesteuert, weder
gewollt noch erwünscht - mit dem Attribut "Bärenorgie"
versehen wurde.
Abgesehen
davon, dass kein einziger Satz von mir unverändert
veröffentlicht wurde, hat sich auch der Stil des Textes geändert.
Ich schrieb ihn ursprünglich in der Gegenwarts-Form, ebenso wie
beispielsweise diesen Text. Ein Stilmittel, zu dem ich gerne greife,
da es dem Leser das Gefühl vermittelt, dem Geschehen beizuwohnen.
einestages gefiel dies offensichtlich nicht, der komplette
veröffentlichte Text ist nun in der Vergangenheitsform.
Es
dauert nicht lange, und der erste Kommentar trudelt auf einestages
ein, Zitat:
Vielleicht
sollten Sie sich für eine Sammelklage mit Bettina Wulff zusammentun?
Nein, nachvollziehen kann ich Ihre Empörung nicht, Herr Mandelartz.
(…) Lesen wir demnächst einen Erfahrungsbericht mit dem Thema:
"Ich wurde zur Kaffeefahrt eingeladen - und die wollten uns dann
Wolldecken verkaufen"?
Seufz.
Im Zusammenhang mit der von einestages gewählten Überschrift klingt
mein "Experiment" tatsächlich wie das weinerliche
Lamentieren eines klickgeilen Schwachsinnigen. Ich antworte:
Mich
hier nun auf eine mediale Stufe mit der Gattin des
Ex-Bundespräsidenten stellen zu wollen ist derart dämlich, dass ich
darauf nicht weiter eingehe.
Es
dauert wiederum nicht lang, und mein Kommentar wird von einestages
gelöscht, selbstverständlich OHNE mich darüber zu informieren.
Zitat aus einer späteren Mail der Redakteurin an mich:
„Mitglieder
von einestages hatten einen Ihrer Kommentare als Verstoß gegen die
Netiquette gemeldet, da sie in der Bezeichnung "dämlich"
eine Beleidigung sahen. Die Moderatoren haben darauf reagiert und den
Kommentar zunächst entfernt. Da jedoch offenbar mehrere
Diskussionsbeiträge Bezug darauf nahmen, haben sich die Moderatoren
entschieden, Ihren Kommentar wieder herzustellen, damit die weiteren
Äußerungen nicht zusammenhanglos im Raum stehen.
Nochmal:
Ich habe niemals jemanden als "dämlich" beleidigt, nur den
Vergleich von mir mit Bettina Wulff als "dämlich"
bezeichnet. Wenn man sich tapfer in die (Un)Tiefen
der einestages-Seiten begibt, dann stößt man auf Erläuterungen
und Erklärungen, was man unter eben jener Netiquette zu verstehen
haben soll:
Besonders
schön der 3. aufgeführte Punkt (Zitat):
„Deine
Artikel sprechen für Dich. Sei stolz auf sie.“
Nein,
dieser Artikel spricht NICHT für mich und ich bin mit Sicherheit
nicht STOLZ auf ihn.
Zitat:
"Offen, freundschaftlich, respektvoll"
Es
folgen diverse weitere Kommentare, eine kleine Auswahl:
-
Und nebenbei - schämt man sich nicht, wegen eines solchen Videos
sich beim Bundespresseball zu empfehlen?
-
Geht es eigentlich noch peinlicher extrovertiert und
selbstreferentieller?
-
Allerdings ist es eine Frage des persönlichen Geschmacks, wenn Sie
in einer öffentlichen Diskussionsrunde Bezeichnungen wie „dämlich“
verwenden. Das sind Dinge, die mich fassungslos machen.
Mir
reicht es, ich bitte die Redaktion per Mail, den Text sofort offline
zu nehmen. Reaktion:
Was
den eigentlichen Artikel betrifft, so behält sich die Redaktion vor
- wie in den AGBs ersichtlich und von allen einestages-Mitgliedern
bestätigt - -diese Stücke zu bearbeiten. Teaser und Headline sind
dabei grundsätzlich in redaktioneller Hoheit. Ihre Befürchtung, die
Headline könnte zu einem Missverständnis des Artikels führen,
teilen wir so nicht.
"SPIEGEL
ONLINE ist berechtigt, das Werk unter Wahrung der
Urheberpersönlichkeit zu bearbeiten, zu kürzen und zu ändern"
Ich
persönlich fühle mich in meiner "Urheberpersönlichkeit",
nun ja, sagen wir mal: nicht ganz ernst genommen.
Im
eingesandten Text hatte ich ein Fazit gezogen, das (kaum verändert)
auch so auf einestages erschien:
Fazit?
Es ist heutzutage erschreckend einfach, einer viralen Verbreitung
einen kleinen, aber entscheidenden „Anschubser“ zu geben. Worüber
man sich klar sein muss: Spätestens ab diesem Zeitpunkt hat man die
Herrschaft oder „Oberaufsicht“ über seinen zur Verfügung
gestellten Inhalt aufgegeben. Man kann nur noch tatenlos zuschauen,
was die so oft zitierte Netz-Community aus dem (leichtfertig) zur
Verfügung gestellten Content macht.
Und
die Moral von der Geschicht? Obacht, Obacht, Obacht.....
Das
lasse ich jetzt einfach mal so stehen.....
Nichtsdestotrotz:
Das "offene, freundschaftliche und respektvolle
Diskussionsklima" vermisse ich angesichts der Kommentare, Zitat
"- Geht es eigentlich noch peinlicher extrovertiert und
selbstreferentieller? "
Und
eben diesen Kommentar möchte nun ICH löschen lassen, einfach mal um
zu schauen, was dann passiert. Ich wende mich über die "Verstoß
melden"-Funktion an die einestages-Redaktion , mit Verweisen auf
die Netiquette. Diesmal kommt die Reaktion prompt, nach nur wenigen
Minuten trudelt eine E-Mail ein (Zitat):
„Wenn
Sie den gemeldeten Kommentar von XXXXX unangemessen finden,
nutzen Sie doch die Möglichkeit unserer Debatte und antworten Sie
ihm hier direkt.
Zur
Erinnerung: Als ICH mich in einem Kommentar äußere und es wage, den
Vergleich von mir und Bettina Wulff als "dämlich" zu
bezeichnen wird dieser sofort gelöscht mit dem Verweis auf die
Netiquette.
PS:
Um den Untertitel dieses Textes noch kurz zu erläutern: Sowohl hier
als auch auf dem Bärenvideo-Blog
landen vermehrt Besucher, die bei Google oder Bing "Tobias
Mandelartz Bärenorgie", "Tobias Mandelartz Bear Orgy", "Tobias Mandelartz Gang-Bang" oder ähnliche Such-Kombinationen eingeben....
Seufz, ich bin die
Betty-Wulff der Bärenorgie geworden, einestages sei Dank!
Und der Vollständigkeit halber: Hier ist sie, die berühmt-berüchtigte Bären-Orgie: